Der Tanz mit dem Seil

Bevor ich mich nun für die nächsten 3 Wochen in den wohlverdienten Urlaub verabschiede (ich bin sporadisch via e-mail, jedoch nicht via Telefon erreichbar), gibt es zur Überbrückung noch ein paar Gedanken zu einem meiner liebsten Kommunikationsmedien:

Seile.

Kommunikationsmedium? Nicht eher Restriktionsmedium? Ich denke beides in gleichem Maße.

Ich liebe wohl so ziemlich jede Form von Restriktion und auch eine handliche verschnürte Folienmumie hat absolut ihre Vorzüge (gerade noch mit so ein, zwei Schichten Tape darüber und einem klitzekleine Atemloch mit Knebel…doch dies ist ein anderes Thema), aber Seile haben etwas ganz besonderes. Sie lassen einen tanzen.
Wer es schon erleben durfte, weiß wovon ich spreche – wenn sich aus einem anfänglichen Knoten ein weitläufiges Netz entspinnt und man mal hier hin mal dort hin gewirbelt wird, ohne recht zu wissen wo nun Anfang und wo nun Ende ist.
Bondage, Shibari, Kinbaku, Tsuri, Seilkunde, Fesseln – egal wie man es nun nennen möchte, ist für mich eine der schönsten Formen der Kommunikation. Eine fast schon intim anmutende Nähe, in welchem sowohl Fesselnder als auch Gefesselter miteinander verweilen, schwelgen, ausharren müssen und zeitgleich ein deutliches Machtgefälle und dadurch entspringende Distanz, durch fixierte Gliedmaßen, taxierendes Beobachten und süffisante Blicke. Und auch wenn der Mund des zu Fesselnden meist kaum mehr als ein Stöhnen hervorbringen kann oder zumindest keine deutlich artikulierten Worte, so findet doch Kommunikation auf tiefster (oder höchster?) Ebene statt. Dieses nonverbale Miteinander umwabert einen geradezu. Die Seile laufen wie von selbst, ziehen Füße, Hände, Hintern, Oberkörper in die Höhe, lassen wanken, zappeln, fliegen. Sind mal bequem und mal anstrengend, halten fest und machen frei. Kompakt verschnürt oder weitläufig ausgestreckt – gefesselte Körper sind wunderschön zu betrachten. Ich schaue mir einen gefesselten Menschen sehr gerne an: von allen Seiten und aus verschiedenen Winkeln. Wie der Brustkorb sich hebt und senkt und sich der Kopf nach mir verdreht wenn ich aus dem Sichtfeld trete, wie die Augen sich weiten, wenn ich näher komme und gezielt an einem Seil ziehe, wie anmutig mein Gegenüber schwebt, wenn er, im wahrsten Sinne des Wortes, den Boden unter den Füßen weggezogen bekommt, wie ein ernüchterndes Schnauben den inneren Kampf beendet, wenn er feststellt, dass diese Seile wirklich fest sitzen.
Ja, Seile und die darin befindlichen Körper erzählen eine Menge. Nonverbale Kommunikation auf beiden Seiten – wenn ich neben dir stehe, wenn meinen Blick den deinen trifft, wenn ich dich aus etwas Entfernung beobachte oder du spürst, wie ich anknote, umschlinge und auch mein Atem schneller wird, wenn ich mit dir tanze –  so erfährst du auch eine Menge über mich. Auf meinen Seiten findet man die Formulierung, dass ich einen Kokon für mich und meinen Gegenüber schaffen möchte – ich denke in Form von Seilen gewinnt dieser Ausdruck nochmal eine neue Tiefe – es wird tatsächlich gewoben und nach Festigkeit gestrebt. Zeitgleich ist es nichts statisches, sondern etwas lebendiges, transformierendes. Ich könnte stundenlang fesseln (und tue dies mitunter auch), abwarten, betrachten, die Seile lösen und von Neuem beginnen.
Nicht Mittel zum Zweck, sondern um seiner selbst Willen (auch wenn es durchaus erfreut das Gegenüber ein wenig Seile spüren zu lassen, wenn man – nunja – etwas “unangenehmere” Dinge tut ).
In einem Erleben und Erfahren von Nähe und Distanz, in einem Tanz mit dem Seil, in einer Kommunikation zwischen dir und mir. Seile sind einfach etwas wunderbares.

Es grüßt,

Fräulein Lilly

1 Comment

  1. Sehr interessanter Text zu den Seilen und Fixierungen! Das umschlingt einen förmlich beim lesen! Ich freue mich schon auf ein baldiges und wie immer bleibendes Erlebnis mit Dir!

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